Andacht Psalm 55


Liebe Leser,
blättern Sie doch bitte nochmal zurück
zur Titelseite, und vertiefen sich eine
kleine Weile in das Bild …
Welche Gefühle und Gedanken steigen
da aus uns hervor?
Faszination? Wehmut? Sehnsucht?
Lebensfreude? Geborgenheit? Abschiedsstimmung?
Verzagtheit?
Wir leben in der Jahreszeit, die derartige
Naturschauspiele bereithält:
Vogelschwärme, die rauschend über
uns dahinziehen in eine uns unbekannte
Ferne.
Vielleicht schauen wir noch lange
nach, bis ihr hundertfaches Singen
verklingt und sich die Konturen auflösen
im klaren, kühlen, orange-roten
Abendhimmel.
Dann fühlen wir vielleicht dieses Brennen
in der Brust, diesen leichten Druck
im Hals – eine Empfindung, ähnlich
einem Abschied:
Man steht am Bahnsteig, der Zug setzt
sich fast lautlos in Bewegung. Wir winken
einem vertrauten, geliebten Menschen
… wir winken noch immer, obwohl
wir wissen, dass er uns längst
nicht mehr sehen kann.
Ziehende Vögel erinnern uns womöglich
auch an unser Fernweh. Oder an
den Wunsch, dem zu entkommen, was
uns ängstigt, bedrängt oder gar krank
macht.
Im Psalm 55
wird das sehr bildhaft ausgedrückt:
“O, hätte ich Flügel wie Tauben, dass
ich wegflöge und Ruhe fände! Siehe,
so wollte ich in die Ferne fliehen und
in der Wüste bleiben. Ich wollte eilen,
dass ich entrinne vor dem Sturm und
Wetter!“
Hier ist der klagende Beter enttäuscht
von einem falschen Freund. Er
wünscht sich einfach nur weit, weit
weg.
Noch beklemmender ist es, wenn wir
am liebsten vor uns selbst davonlaufen
würden.
Ja, manchmal scheint uns der eigene
Schatten bedrohlich zu werden und
unser Spiegelbild ängstigt uns.
Schauen wir nochmal den Vögeln
nach: Im Herbst ist für sie hier kein
Bleiben.
Wir aber haben hier Heimat, Haus und
warme Stuben. Auch das kann uns
dieses Bild sagen. Und Ihnen sagt es
sicher noch viel mehr, als in den wenigen
Zeilen hier anklingt.
Mir kommt dabei eine Lied-Vers in den
Sinn, der mit seinem
“Wir ruhen all in Gottes Hand“
alles das, was uns bewegt, was wir
fühlen und denken, einschließen kann.

Ihr Kantor C. Domke

Nehmt Abschied, Brüder,
ungewiss ist alle Wiederkehr,
die Zukunft liegt in Finsternis
und macht das Herz uns schwer.
Der Himmel wölbt sich übers Land,
ade, auf Wiedersehn.
Wir ruhen all in Gottes Hand,
lebt wohl, auf Wiedersehn!