Andacht 5. Sonntag nach Trinitatis zu Lukas 6,1-11

Liebe Leserin, lieber Leser,
Erinnern Sie sich einmal an etwas,
dass Sie sich früher sehnlich gewünscht
und nicht bekommen haben,
und darum schon aufgegeben haben,
sich darum zu bemühen. Nehmen Sie
sich einmal kurz Zeit dafür. Haben Sie
es? Ja? Dann stellen Sie sich vor, jemand
kommt und sagt: „Mach noch
einmal genau das, was du zuletzt dafür
getan hast.“ Auch, wenn es völlig
unrealistisch erscheint. Irgendwie vertrauen
Sie dieser Person und sie kann
Sie dazu herauskitzeln, tatsächlich
noch einmal das zu tun. Und mit einem
Mal bekommen Sie nicht nur das
Gewünschte, sondern noch zig-mal
mehr. Was würde herauskommen? Ich
weiß ja nicht, was es ist, aber mit einem
Augenzwinkern und Vergnügen
rate ich mal blind drauf los: Den Ruhm
und die Figur der Miss Universum, den
Job und vor allem das Vermögen von
Jeff Bezos, dem Amazon-Chef oder
eine eigene (mückenfreie) Tropeninsel
mit Dauerurlaub fallen mir da spontan
ein.
Bei weitem nicht so schillernd, aber
mindestens genauso überwältigt waren
Petrus und seine Fischerkollegen
als sie der Aufforderung von Jesus
dann doch folgen. Sie sollen jetzt am
heller lichten Tag noch einmal die Netze
aus ihren Fischerbooten herauswerfen.
Jetzt nachdem sie die ganze letzte
Nacht nichts mehr gefangen haben.
Sie sind ganz entmutigt und es macht
auch keinen Sinn. Da sind die Fische
gleich weg, wenn sie die Boote kommen
sehen. Will da sich jemand über
ihr Unglück lustig machen? Petrus sagt
noch: „Meister, wir haben die ganze
Nacht gearbeitet und nichts gefangen;
aber auf dein Wort hin will ich die Netze
auswerfen.“ (Lukas 6,5) So fahren
sie raus auf den See Genezareth und
haben mit einem Mal den größten
Fischfang, den sie sich jemals erträumen
konnten. Die Netze drohen zu
reißen, weitere Kollegen werden herbei
gerufen. Wenn sie das verkaufen,
haben sie so viel, dass sie davon noch
Wochen leben können. Die Existenz ist
gesichert. Der eigene Wunsch übererfüllt.
Aus der deprimierten Stimmung ist
überwältigende Freude geworden.
Aber während sie die Fische an Land
ziehen, ist Petrus noch von etwas ganz
anderem überwältigt. Es lässt ihn sogar
die Fische vergessen. Eine Frage
quält ihn: Was ist das für ein Mensch,
der ihm so etwas JETZT sagt, wo er so
enttäuscht war? Jemand, der so mächtig
ist und ihm so viel gibt, dass die
Sorgen von eben ganz überflüssig, ja
regelrecht lächerlich wirken. Der ihn
nicht übersehen hat und weiß, was er
sich wünscht und braucht, obwohl
noch hunderte andere etwas von ihm
wollen. Es ist, als würde Gott ihn ganz
und gar durchschauen: „Herr, geh weg
von mir! Ich bin ein sündiger Mensch.“
sagt Petrus „Du brauchst dich nicht zu
fürchten. Von jetzt an wirst du ein
Menschenfischer sein.“ (Lukas 6,8.10)
sagt Jesus. Und Petrus spürt: Hier bin
ich in guten Händen—als ganzer
Mensch und mit meinen Wünschen. ER
traut mir etwas zu. Ich kann etwas
bewirken.
Ihr Pfr. Pohle