Palmsonntag

Hier kann man die Andacht downloaden.

Liebe Gemeinde, liebe Weggäste,

Wir feiern heute Palmsonntag. Jesus reitet auf einem Esel in Jerusalem ein. Mit Palmzweigen wird bejubelt. Doch schon bald wird die Stimmung kippen. Es sind nur noch zwei Tage bis zum Passafest. Schon wird geplant, wie Jesus getötet werden könnte.
Am Abend sitzt Jesus noch einmal mit Freunden zusammen am Tisch.Mk 14,3| Da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf Jesu Haupt.

„Was soll die Verschwendung des Öles?“, höre ich diejenigen, die mit Jesus zu Tisch liegen, tuscheln. Sie sind entgeistert. Eine Frau platzt mitten in ihre Mahlgemeinschaft hinein und schüttet auch noch kostbarstes Öl über Jesus. Ja, was soll das? – höre ich mich fragen.

Ich schaue auf die Frau: Selbstvergessen und voller Leidenschaft steht sie da. Hingebungsvoll schenkt sie ihre ganze Liebe. Sie hat weder Mühen noch Kosten gescheut, sich auf den Weg zu machen. Alle Widerstände, Vorschriften und Zwänge hat sie durchbrochen. Sie hat nur ein Ziel vor Augen: Jesus etwas Gutes zu tun. Direkt über Jesu Kopf zerbricht sie die Ölflasche. Das Öl rinnt über Jesu Körper. Das Öl füllt den ganzen Raum mit betörendem Duft.

Jesus schließt die Augen. Er sieht seinen Weg vor sich. Er sieht einen seiner Freunde ihn verraten. Er sieht einen seiner Freunde ihn verleugnen. Er sieht sich allein in Gethsemane. Er sieht sein Leiden. Er sieht den unmenschlichen Tod. Die Schmerzen, die auf ihn zukommen werden, werden unerträglich sein. Jesus schließt die Augen fester. Er spürt die zarte Berührung. Von oben herab umhüllt ihn das Öl. Es umhüllt ihn mit seiner zarten Wärme. Es umhüllt ihn mit seinem atemberaubenden Duft. Wie gut das tut.

Die mit Jesus am Tisch sitzen, strengen hingegen all ihre Vernunft an. Sie rechnen haargenau aus, was die seltsame Handlung dieser Frau gekostet hat: 300 Silbergroschen. Das entspräche heute ca. 30.000€. Was hätte man damit nicht alles machen können!

Zwei völlig verschiedene Welten prallen hier zusammen: Die der selbstvergessenen Leidenschaft und die der prüfenden Vernunft. Was sagt Jesus hierzu? Mk 14,6.7| Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich habt ihr aber nicht allezeit.

Jesus weist an dieser Stelle die Vernunft zurück und stellt die Leidenschaft in den Vordergrund. Diese Frau hat etwas ganz besonderes getan. Jesus sagt, sie hätte ihm etwas Gutes getan. Sie hat genau gespürt, was er jetzt braucht. Sie hat gespürt, dass er den Tod vor Augen hatte. Sie hat gespürt, dass er Angst hatte. Sie hat seinen Leib im Voraus für das Begräbnis gesalbt. Sie hat ihn gestärkt auf dem schweren Weg, der vor ihm liegt. Es wird keine Gelegenheit mehr geben diese Tat zu wiederholen. Morgen wird schon alles anders sein. Arme werdet ihr weiter bei euch haben, mich aber nicht. Ich werde bald nicht mehr bei euch sein.

Mit großen Augen schaue ich Jesus an. Was sagst du da? Ich dachte, es ist alles ganz einfach. Ich kann sicher und fest planen, einen Dauerauftrag einrichten und dadurch ganz automatisch jeden Monat einen Betrag für Bedürftige geben. Es geht um noch mehr? Ich soll mich dir mit meiner ganzen Liebe hingeben? Meine Sicherheit verlassen, mich auf unbekanntes Terrain begeben, mich zerbrechlich machen? Ich merke, wie schwer das ist. Wie schwer es ist, von mir selbst wegzuschauen und meine Pläne beiseite zu legen, um für einen Moment ganz bei meinem Gegenüber zu sein, zu spüren, was er oder sie gerade jetzt braucht und so, wie die Frau, etwas Gutes zu tun. Einfach so. Ohne Berechnung. Aus purer Liebe und Leidenschaft. Egal was andere dazu sagen oder darüber denken.

Jesus reitet in Jerusalem ein. Noch wird er bejubelt. Noch ist er mitten unter uns. Noch will niemand wahrhaben, was mit ihm passieren wird. Noch ist Zeit. Zeit für Liebe. Zeit für Leidenschaft. Zeit für selbstlose Taten. Morgen schon wird alles anders sein. Das Volk wird rufen: Kreuzigt ihn.

Mit diesen Gedanken zum Palmsonntag grüßt Sie Ihre Pfarrerin Christine Klement

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