Osterpredigt

Hier kann man sich die Predigt anhören und hier als pdf downloaden.

Liebe Gemeinde,

Aufstehen. Jeden Morgen stehe ich auf. Für mich ist das etwas ganz Selbstverständliches: Wach werden, aufstehen, einen neuen Tag beginnen. Natürlich sind die Tage unterschiedlich, mal kann ich ganz schnell aufstehen, mal will ich lieber liegen bleiben. Mal werde ich ganz gemütlich wach, mal schrillt der Wecker mehrere Male und reißt mich aus meinen Träumen: Er ruft: Aufstehen!

Und gleichzeitig weiß ich, immer wenn ich aufstehe, gibt es Menschen, die nicht aufstehen können, weil sie alt und schwach sind, weil sie krank sind, weil sie Kummer haben.

Hanna hatte großen Kummer.  Sie wollte so gern Kinder haben, aber es klappte einfach nicht. Die Frauen in ihrem Umfeld verspotteten sie, lachten sie aus, gaben mit ihren Kindern an. Hanna war in ihren Augen keine richtige Frau, eine richtige Frau ist nur, wer Kinder hat. Das tat weh, verdammt weh. Hanna verkroch sich immer mehr, sie wollte mit all diesen Menschen nichts mehr zu tun haben. Sie blieb morgens im Bett liegen, sie aß nichts mehr. Allein ihr Mann machte sich um sie Sorgen: Hanna, was weinst du so viel und was verkriechst du dich? Bin ich dir nicht viel mehr wert als 10 Söhne?

Die Geschichte von Hanna könnte die Geschichte von einer Frau aus unseren Orten sein, so aktuell ist sie nach wie vor. Doch die Geschichte von Hanna ist eine ganz alte Erzählung aus dem Alten Testament. Sie steht ganz am Beginn der Samuelbücher. Hanna konnte von sich aus nicht mehr aufstehen. Doch ihr Mann hielt zu ihr: Hanna, ich liebe dich. Ich liebe dich, auch wenn du keine Kinder bekommen kannst. Steh doch auf, iss und trink!

Hanna gab sich einen Schubs, ja – so konnte es nicht weitergehen, sie stand auf und aß und trank und ging zum Tempel. Dort schüttete sie vor Gott ihr ganzes Herz aus. All ihren Kummer, all ihr Leid, all ihre Enttäuschung lud sie bei Gott ab. Und dann wagte sie es doch noch einmal, ihren innigsten Wunsch auszusprechen: Gott, wenn du mir doch ein Kind schenken könntest, ich würde es auch ganz in deinen Dienst stellen…

Als sie vom Tempel wieder zurück kam, war Hanna ganz leicht ums Herz, sie konnte wieder fröhlich sein, essen und trinken. Sie konnte wieder aufstehen. Sie war glücklich mit ihrem Mann. Die spottenden Worte der anderen Frauen perlten an ihr ab. Und da passierte auf einmal etwas, womit niemand gerechnet hatte. Da passierte das völlig Unglaubliche. Gott hatte Hannas Wunsch erhört und sie wurde schwanger. Überglücklich stand Hanna auf und ging zum Tempel um für Gott ein Loblied anzustimmen:

1. Sam, 1 Und Hanna betete und sprach: Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn, mein Horn ist erhöht in dem Herrn. Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde, denn ich freue mich deines Heils. 6 Der Herr tötet und macht lebendig, führt ins Totenreich und wieder herauf. 7 Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. 8 Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche.

So singt Hanna ihr Gebet. Sie singt aus tiefsten Herzen und mit jeder Faser ihrer Seele. Sie spürt, Gott ist da. Er ist in ihrem Leben. Sie spürt seine Macht und sie weiß, alles liegt in seiner Hand. Er tötet und macht lebendig, er macht arm und reich, erniedrigt und erhöht. Im Gottesvertrauen war das möglich, was unmöglich war. Hanna ist aufgestanden aus der Asche.

Vor ein paar Jahren haben wir einen Ausflug mit dem Kirchenvorstand ins Kloster Wechselburg gemacht. Besonders in meine Erinnerung eingeprägt hat sich mir dort eine Säule. Ganz schlicht stand sie im hinteren Bereich der Klosterkirche. Auf der Säule zu sehen ist ein Zick-Zack-Muster. Es geht immer auf und ab, so wie es in unserem Leben auch auf und ab geht.

An manchen Tagen stehe ich fröhlich auf, an manchen Tagen will ich lieber im Bett liegen bleiben. Da schaffe ich es kaum aufzustehen. An manchen Tagen da bin ich voller Tatendrang, voller Freude, voller Zuversicht und an anderen Tagen weiß ich nicht, was werden soll. An anderen Tagen bin ich krank, schwach, habe gerade meine Arbeitsstelle verloren. An anderen Tagen weiß ich weder ein noch aus vor Kummer, weil ein lieber Mensch gestorben ist, weil es Streit gab, weil mich mein Partner verlassen hat. Dann scheint alles bergab zu gehen. So wie bei dem Zick-Zack Muster die Linie nach unten.

Doch der Steinmetz aus dem 13. Jahrhundert, er hatte die große Hoffnung, dass die Linie nicht nur bergab gehen, dass es den Tag gibt, an dem ich wieder gesund bin, an dem ich wieder weiß, was ich arbeiten kann, an dem ich meinen Kummer überwunden habe. Dann kann ich wieder aufstehen, dann kann ich neu ins Leben gehen, dann geht es wieder bergauf.

Vor drei Tagen saß Jesus im Garten Gethsemane, er betete: Herr, wenn es sein kann, nimm diesen Kelch von mir, aber nicht wie ich will, sondern wie du willst geschehe es. Jesus weiß, dass Schweres vor ihm liegt – doch voller Gottvertrauen gibt er sich hinein. Es geht abwärts bis zum Tod am Kreuz, Jesus kann nicht mehr aufstehen. Und dann kommt dieser Morgen, der Oster-Morgen. Niemand hat je damit gerechnet und auf einmal ist der Stein vom Grab weggerollt, ist das Grab leer, stattdessen sind dort Engel, die den Frauen sagen: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Das Unglaublich, das Unmögliche ist passiert: Jesus ist wieder aufgestanden, aufgestanden aus dem Tod.

Dieses Aufstehen aus dem Tod hat noch einmal eine tiefere Dimension als das morgendliche Aufstehen. Und auch die Säule in Wechselburg hat noch eine tiefere Dimension: Es geht bei den Zick-Zack Linien nicht nur bergauf und bergab, so wie es in unserem Leben Höhen und Tiefen gibt, sondern wenn man die Zick-Zack Linien mit dem Finger nachfährt merkt man, dass es eine aufsteigende Linie ist. Die Zick-Zack Linie führt also immer weiter nach oben. Sie führt Richtung Himmel.

Ich drehe mich von der Säule um Richtung Altar. Dort sehe ich Jesus am Kreuz. Doch Jesus ist am Kreuz nicht alleine. Über ihn wachen die Augen Gottes. Rechts und links greifen Engel unter seine Arme. Sie helfen ihm wieder aufzustehen, sie helfen ihm, dass sein Leben weiter geht, weiter Richtung Himmel.

Auch Hanna greifen die Engel unter die Arme. Hanna wird wieder lebendig. Ihr Leben geht weiter Richtung Himmel: Sie kann von ihrem Leben weitergeben. Sie gebiert ihren ersten Sohn Samuel und noch drei Söhne und zwei Töchter. Samuel übergibt sie, wie sie es Gott versprochen hat, dem Hohepriester. Und so wird Hannas Wunsch zum Segen für das Volk Israel. Samuel wird von Gott zum Propheten und Richter berufen und Samuel ist es, der Saul als ersten König über Israel einsetzt. Hannas Gebet wurde erhört, ihr Wunsch erfüllt. Das ist wunderbar.

Auch mir greifen Engel unter die Arme. Ich spüre den Zick-Zack Linien in meinem Leben nach. Immer wieder gab es Höhen und Tiefen, immer wieder wird es sie geben. Diese Zick-Zack Linien gehen immer höher und auf ihnen geht mein Leben weiter Richtung Himmel. Ich kann aufstehen, auch nach dem letzten Tag meines Lebens. Das ist wunderbar.

Hanna jubelt und in ihren Jubel sollen wir heute zu Ostern einstimmen: Laut sollen wir das lange verstummte Halleluja wieder singen, denn bei Gott ist das Unmögliche möglich: Der Herr tötet und macht lebendig, führt ins Totenreich und wieder herauf. Bei Gott ist der Tod nicht das Ende, sondern der Beginn zu neuem Leben.

Gesegnete Ostern wünscht Ihnen, Ihre Pfarrerin Christine Klement