Andacht 24.6. 2020 –. 2. Sonntag nach Trinitatis

„Könnte bei uns nicht endlich auch mal
alles normal laufen?“, stöhnte eine
Freundin, als wir miteinander telefonierten.
Eine Ausnahmesituation
schien bei ihr die nächste abzulösen:
Die Tochter zog ins Ausland, der Sohn
bekam den gewünschten Schulplatz
nicht, beim Haus musste das Dach
repariert werden, die Mutter wurde
pflegebedürftig, die Putzfrau kündigte
und dann starb auch noch die Katze.
„Und das alles innerhalb von zwei Monaten,
ich kann nicht mehr“, gestand
mir meine Freundin. „Und du? Hast du
bei all den Aufgaben mal an dich gedacht?“,
frage ich vorsichtig nach.
„Ich?“, lacht die Freundin, „wie soll
das denn gehen? Ich bin da mittendrin.
Ich muss mich um alles kümmern.
Wer soll es denn sonst machen?
Für mich bleibt da keine Zeit.“ In der
Zwischenzeit klingelte bei ihr ein anderes
Telefon. „Oh das ist die Bank, da
muss ich rangehen. Ich will mich beraten
lassen wegen eines Kredites, damit
ich meine Tochter im Ausland unterstützen
kann.“ Und schon war sie
weg.
Vor meiner Freundin schien sich ein
Aufgabenberg nach dem anderen zu
türmen. Sie hetzte von einer Aufgabe
zur anderen,
von einem
Termin zum
nächsten. Sie
kam überhaupt
nicht
mehr zur
Ruhe. Selbst
nachts gingen
ihr die
Gedanken
noch durch
den Kopf und
sie konnte
nicht schlafen.
„Kommt her
zu mir, alle,
die ihr mühselig
und beladen seid, ich will euch
erquicken!“ So ruft Jesus uns heute an
diesem Sonntag zu. „Nehmt auf euch
mein Joch und lernt von mir; denn ich
bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure
Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und
meine Last ist leicht.“ (Mt 11,28-30)
„Stell dir vor!“, berichtet mir meine
Freundin bei einem neuerlichen Telefonat,
„gestern hatte ich zwischen
zwei Terminen ein klein wenig Zeit, da
schlenderte ich ein wenig durch das
Stadtviertel, in dem ich gerade war
und plötzlich stand ich vor einer Kirche.
Die Türen waren weit geöffnet.
Es war wie eine große Einladung:
Komm doch rein! Erst ging ich weiter,
ich hatte schließlich doch irgendwie
schon den nächsten Termin im Nacken.
Aber irgend etwas zog mich wie
magisch zurück. Also gab ich nach.
Ich ging in die Kirche hinein. Die Kühle
tat gut. Ich setzte mich in eine
Bankreihe. Mein Blick
fiel auf das Kreuz. Da
sah ich Jesus und ich
weiß auch nicht so
recht, allein durch
den Blick auf das
Kreuz fühlte ich, wie
sich neue Kraft in mir
entfaltete, wie ich
neue Zuversicht bekam.
Auf einmal bemerkte
ich auch, wie
still es hier war. Auch
ich war zur Ruhe gekommen.
Die Gedanken,
die sich sonst
immer wie ein Karussell
im Kopf drehten,
sie standen auf einmal
still. Ich fühlte mich leicht, fast
wie neu geboren, kannst du dir das
vorstellen?“
Ja, Jesus hat die Kraft mich von Grund
auf zu erneuern. In dem Bibelwort für
den heutigen Sonntag lädt er uns ein,
zu ihm zu kommen – mit all unseren
Mühen, unseren Lasten und Sorgen.
Vor Jesus brauche ich nichts zu verbergen,
zu ihm kann ich kommen wie
ich bin. Er wendet sich mir zu, ohne
dass ich irgendeine Vorleistung erbringen
müsste. „Lauft doch nicht vor
euch selbst davon, sondern kommt
mit allem, was euch bedrückt, zu mir!“
Einladend und mit offenen Armen
steht Jesus da: „Kommt zu mir, ich
selber bin der Ausweg. Ich schenke
euch die Ruhe des Herzens. Wer in
meine Nähe kommt, kann wieder atmen,
der kann seine Last abwerfen!“
Pfrn. Klement